Als Sturmtief „Bernd“ im Sommer 2021 über Deutschland hinwegfegte, hinterließ er nicht nur Überflutungen und umgestürzte Bäume. Er beschädigte auch unzählige Gebäude und nahm tausenden Menschen vorübergehend ihr Zuhause. Um die Schadensfälle möglichst schnell entgegennehmen und zügig helfen zu können, setzte der Versicherungsspezialist DOMCURA einen Sprachbot ein. Sein Name: Claimens. Seine technologische Basis: Azure Cognitive Services.
Die Herausforderung: Schadensfälle rund um die Uhr kompetent erfassen
Schadensfälle an Gebäuden treten fast immer unvorhergesehen auf: Bei einem Sturm stürzt ein Baum um und beschädigt das Dach, bei einer Überflutung läuft der Keller mit Wasser voll. In den meisten Fällen hilft die Versicherung, doch die muss erst einmal benachrichtigt werden. „Unsere Kund*innen erwarten von uns, dass wir zu jeder Tages- und Nachtzeit für sie erreichbar sind, um ihre Schadensfälle kompetent zu erfassen“, sagt Lars Malinowsky, Abteilungsleiter IT-Service bei DOMCURA.
Erste Anlaufstelle ist häufig die Hotline der Versicherung. Im Telefoncenter werden die Basisinformationen zum Schaden aufgenommen. Die Kund*innen füllen im Anschluss ein Schadenformular aus, anhand dessen der Schadensfall angelegt wird, fehlende Unterlagen angefordert werden und der Fall abschließend bearbeitet wird. Um diesen Prozess zu vereinfachen und gleichzeitig einen besseren Service anzubieten, holte DOMCURA den Bot „Claimens“ mit an Bord. Seit rund drei Jahren assistiert der Chatbot bei der Befüllung des Schadenformulars – und das rein virtuell, rund um die Uhr auf der Webseite des Unternehmens. Seinem Namen – abgeleitet vom englischen Wort für beanspruchen, to claim – macht er dabei alle Ehre. Nur eines konnte er bislang nicht: Nämlich sprechen. Und das sollte er lernen.
„Bei DOMCURA sind wir bestrebt, alle unsere Prozesse mit neuen Technologien besser, schöner und schneller zu machen“, sagt Lars Malinowsky. „Der Austausch mit den Kund*innen bietet hier ein unglaubliches Potenzial. Und wir dachten uns: Was, wenn Claimens nicht nur Geschriebenes verstehen und beantworten könnte, sondern wenn es möglich wäre, mit ihm zu sprechen?“ Anfangs testeten Lars Malinowsky und sein Team einfache Programmierungen für eine Sprachsteuerung am Monitor. Schnell war klar: Dafür brauchte es eine professionelle Lösung. „Innerhalb unserer IT-Architektur haben wir bereits viele Microsoft Technologien wie Teams, Power BI oder Azure im Einsatz“, sagt Lars Malinowsky. „Auch die Chatbot-Version von Claimens lief bereits auf Basis von Azure Cognitive Services. Da war die Entscheidung für Microsoft als Technologiepartner naheliegend.“ Es fehlte lediglich die geeignete Plattform, um die Azure Cognitive Services auch in der Telefonie nutzen zu können. Das Unternehmen Parloa hat sich mit der gleichnamigen Plattform genau darauf spezialisiert. So fand DOMCURA gleichzeitig Partner und Plattform für die eigenständige Erstellung des Telefonbots.
Die Lösung: Silben, Worte und Sätze aus dem Low Code Baukasten
„Ursprünglich wollten wir Claimens nur für den Bereich Sturmschäden als Sprachbot einsetzen“, berichtet Jonas Brock, Mitarbeiter im Bereich IT-Service bei DOMCURA. „Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass das nicht zielführend ist. Darum haben wir das Projekt schlussendlich auf alle Schadenarten und Versicherungsarten erweitert.“ Und so erarbeitete das Team rund um Lars Malinowsky und Jonas Brock gemeinsam mit den Fachabteilungen und im engen Austausch mit den Mitarbeitenden aus dem Telefoncenter Leitfäden für all diese Gespräche. „Das war eine große Herausforderung. Denn die fachlichen Anforderungen waren bis dato noch nie so detailliert aufgeschlüsselt worden“, berichtet Jonas Brock. „Das zog allerdings auch Diskussionen nach sich, ob bestimmte Angaben zwingend erforderlich seien oder nicht einfach weggelassen werden könnten. So haben wir während des Projektes nicht nur die Leitfäden optimiert, sondern auch ganze Prozesse. Nun muss der Kunde viel weniger Fragen beantworten als früher.“
Programmiert wurde die KI für Claimens einfach und schnell über die Low Code Funktionalität von Parloa. „Die Zusammensetzung der Gesprächsteile für Claimens funktioniert nach dem Baukasten-Prinzip: Man setzt Kästchen, verbindet sie mit Pfeilen und setzt Parameter“, sagt Lars Malinowsky. So hat Claimens mittlerweile zwischen 2.000 und 4.000 Sätze gelernt und deckt damit rund 20 Schadensarten ab. Was die Kund*innen sagen, erkennt er zu 90 Prozent sofort und richtig – und das nur drei Monate nach dem Kick-off. Darüber freut sich auch Uwe Schumacher, Vorstandsvorsitzender der DOMCURA AG: „Durch den Wechsel auf die Plattform-Lösung von Parloa können wir als mittelständisches Unternehmen weltweite Standards erfüllen, neueste Technologien nutzen und wie ein Weltkonzern agieren.“
Aktuell nimmt Claimens punktuell Anrufe entgegen, identifiziert den Anrufenden, führt durch das Schadenformular, erfasst Details des Schadens, bietet Hilfestellungen an, nennt die einzureichenden Unterlagen und erläutert den weiteren Prozess und die Bearbeitung durch die Sachbearbeiter*innen im Anschluss. Die Fragen von Claimens sind dabei immer zielgerichtet und ergeben sich aus den Antworten des Anrufenden. Bei bestimmten Szenarien empfiehlt Claimens dank seiner Kontexterkennung auch Dienstleister. „Aber besonders stolz sind wir auf unsere Versicherungsscheinnummern-Erkennung – über die Nummern lässt sich eine Versicherung mit allen Details eindeutig einem Kunden zuordnen“, berichtet Lars Malinowsky. „Dabei gibt es etwa 40 verschiedene Muster, aus denen sich rund 80.000 Versicherungsscheinnummern ergeben. Eine gute Datenbasis, um Claimens zu trainieren.“
Claimens sorgt für spürbare Entlastung im Telefoncenter. Er übernimmt einfache Tätigkeiten. Dadurch haben seine menschlichen Kolleg*innen mehr Zeit, sich um komplexere Schadensabwicklungen zu kümmern. „Um Frust zu vermeiden, lässt sich die Kommunikation mit dem Bot jederzeit abbrechen“, so Lars Malinowsky. „Und spätestens nach der zweiten Aussage, die Claimens nicht versteht, erfolgt die Weiterleitung an unser Telefoncenter.“ Zusätzlich wird für jeden Anruf von Claimens eine Datenzusammenfassung über Power BI erstellt und proaktiv Feedback bei den Kund*innen eingeholt, um den Service ständig zu verbessern.
In Zukunft soll Claimens nicht mehr einfach nur Daten erfassen, sondern auch mit dem Bestandverwaltungssystem verbunden werden. Mit den Vertragsdaten als Basis kann er bessere Fragen stellen und dem Kunden einen noch besseren Service bieten. Auch eine Kunden-Authentifizierung oder eine Anliegen-Erkennung mit entsprechendem Routing in die richtige Abteilung sind denkbar. Nach der Evolution vom Chatbot zum Sprachbot macht Claimens die Aufnahme von Schadensfällen bei DOMCURA deutlich effizienter – und für den Menschen einfacher und komfortabler.
“Durch den Wechsel auf die Plattform-Lösung von Parloa können auch wir als mittelständisches Unternehmen weltweite Standards erfüllen, neueste Technologien nutzen und wie ein Weltkonzern agieren.”
Uwe Schumacher, Vorstandsvorsitzender, DOMCURA AG
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